Donnerstag, 31. August 2017

No se culpe a nadie

Ein Mann sinnierte über die Unbequemlichkeit, die der Herbst mit sich brachte, und wollte wegen dieser in einen Pullover schlüpfen. Als er einen Arm durch einen Ärmel steckte, kam eine Klaue mit schwarzen Fingernägeln heraus. Beim anschließenden erneuten Versuch gehorchte ihm seine Hand nicht mehr und er stürzte verzweifelt aus dem zwölften Stock. Die ganze Geschichte erschien mir als Ausschmückung des Titels.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Final del juego (1956), Parte I).

Empirie, 10. Update

¡Hans Koberlin vive! in Daten (der Stand von heute):

  • Stand des Manuskripts:
    • Seiten: S. 1080 von ca. 1.800 Seiten
    • Fußnoten: 3203
  • Stand der Überarbeitung:
    • Seiten: S. 874 von ca. 1.800 Seiten
    • Fußnoten: 2559
    • Kapitel: XII (= Phase V – oder: Un gringo en Calpe) von XXIV Kapiteln nebst einem Anhang
    • Tag der Überarbeitung: Samstag, der 22. Februar 2014, der 144. von 324 konkreten und von allen möglichen Tagen
  • Beginn der Handlung: 23. Oktober 4004 vor unserer Zeitrechnung, 9 Uhr vormittags*
  • Ende der Handlung: fällt mit dem Ende der (oder bloß einer?) Welt zusammen
  • Beginn der Niederschrift: Mittwoch, den 2. Oktober 2013
  • Ende der Niederschrift: noch nicht abzusehen

* (= die Fußnote 4 auf S. 7) »Non in tempore sed cum tempore Deus creavit caela et terram.« (Augustinus). ‒ Nun: »In der Schiffsbibel von Charles Darwin auf der ›Beagle‹, mit der er von 1831 bis 1836 die Welt bereiste, stand das Datum der Weltschöpfung eingetragen: 23. Oktober 4004 vor Christi Geburt, 9 Uhr vormittags.« (Hans Blumenberg, Die Sorge geht über den Fluß, Frankfurt am Main 1987, S. 47). »L’ouvrage que j’ai entrepris aura la longueur d’une histoire«, hatte Balzac stolz in seinen Avant-Propos de La Comédie humaine postuliert.

Wird aktualisiert!

Sonntag, 27. August 2017

Continuidad de los parques

In der Manier von Borges: ein Mann setzte sich mit dem Rücken zur Tür bequem in seinen mit grünem Samt beschlagenen Sessel, um in einem Roman zu lesen, wie ein Mann sich mit seiner Geliebten traf, um sich dann anzuschicken, einen Mann, der mit dem Rücken zur Tür bequem in seinem mit grünem Samt beschlagenen Sessel saß und in einem Roman las, zu töten.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Final del juego (1956), Parte I).

Fenster #171

Fenster 91 Reprise

Freitag, 25. August 2017

Bestiario

Ein Mädchen verbrachte die Ferien bei Verwandten auf dem Land. In dem Gutshaus lebte ein Tiger, dem man tunlichst aus dem Weg gehen sollte. Eines Tages schickte das Dienstmädchen, das von einem alten Lüstling bedrängt wurde, diesen ins Verderben. Der Tiger erschien also als eine Art von äußerer Gerechtigkeit, denn niemand sah die Leiden des Dienstmädchens oder wollte etwas dagegen tun. Cortázar erzählte aus einer Perspektive nahe bei dem Mädchen, der Stil war der klassische des fín de siècle und das Unerhörte die Selbstverständlichkeit der Anwesenheit des Tigers.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Bestiario (1951)).

Las puertas del cielo

Dies war eine ähnliche Konstellation wie im zweiten Teil von Rayuela: ein verheiratetes Paar und der Freund des Mannes, der ein Auge auf die Frau geworfen hatte. Hier war die Frau – ein ehemaliges Animiermädchen, dessen Leidenschaft das Tanzen war – gestorben und der Freund führte den Witwer nach einiger Zeit der Trauer in ein Tanzlokal. Dort hatten die beiden eine Erscheinung der Verstorbenen, tanzend, wobei der Witwer sich dies rationalisierend mit einer zufälligen Ähnlichkeit erklärte, der Freund aber wußte, daß er einen Blick in die Gefilde der Seligen geworfen hatte. Beim Titel dachte ich natürlich auch an Huxley, aber der war später, außerdem habe ich da The Doors of Perception und Heaven and Hell zusammengeworfen, wobei letztgenannter Titel wiederum auf Rayuela verweist.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Bestiario (1951)).

Mittwoch, 23. August 2017

Circe

Auch von Cortázar gab es eine Kirke-Geschichte, Circe genannt, über eine Frau, der die Verlobten wegstarben. Die Geschichte behandelte den Fall des – nach einem Herzinfarkt und nach einem Suizid – dritten Mannes. Absicht und Umstände wurden im Vagen gelassen, sicher war bloß, daß die Eltern der Braut sie ab einem gewissen Stand der Dinge unbedingt loswerden wollten. Der dritte Mann kam davon, auch tötete er die Braut nicht. Der Titel gab das Thema vor, dieses wurde auf den ersten Seiten explizit verhandelt, es ging also um das Was und das Wie der Erzählung, wobei etwas Eindeutiges zu etwas Vagem wurde.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Bestiario (1951)).

Fenster #166 (»Thereʼs a boat thatʼs leaving soon for …«)


Cefalea

In der Form eines Berichts wurde von einem ominösen ›wir‹ das Scheitern einer Unternehmung – der Zucht von irgendwelchen Säugetieren – geschildert. Eine Grundlage Cortázars für die Erzählung war nach eigenen Angaben ein Katalog mit der Beschreibung der Wirkungen homöopathischer Mittel. Die Symptome wurden hier zu den Krankheiten, die die Namen der Wirkstoffe hatten, man konnte also, zum Beispiel, an Cannabis indica erkranken, ohne Hanf zu konsumieren; man nahm immer nur irgendwelche Tabletten des Arztes, für den man diesen Bericht verfaßte. Der Bericht löste beim Lesen ein Gefühl starker Beklemmung aus, es erinnerte teilweise (die Abgeschiedenheit, das Klima …) an Die Schnecke am Hang von den Strugatzkis, man war geradezu erleichtert, ihn durchzuhaben.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Bestiario (1951)).

Montag, 21. August 2017

Fenster #164

Ómnibus

Die Einheimischen hier, wie auch die Einheimischen in Hans Köberlins Herkunftsregion und wohl die Einheimischen fast überall dort, wo es eine Steckdose zum Laden eines Akkus gab, verbrachten ihre Transferzeit neuerdings (naja!) nicht mehr wie früher in stiller Kontemplation oder Meditation (naja – na-ja!), sondern indem sie sich quasselnd oder spielend, auf jeden Fall aber Lärm produzierend mit ihren Taschentelephonen beschäftigten; und als asozial galten deswegen nicht sie, sondern diejenigen antiquierten Zeitgenossen, die, wie manche Gestalten aus Hans Köberlins früherem Leben, da einschreiten würden, siehe Kafkas Auf der Galerie. Das brachte Hans Köberlin auf eine Erzählung Cortázars, nämlich auf – man wird es ahnen! – Ómnibus. Dort wurde eine gewöhnliche Fahrt in einem Omnibus für eine junge Frau und einen jungen Mann zur Bedrohung. Zuerst starrten sie alle übrigen Fahrgäste – sämtlich Friedhofsbesucher mit Blumen – unverhohlen feindselig an, dann, nachdem alle übrigen Fahrgäste ausgestiegen waren, wollte der Fahrer während des Halts an den Haltestellen mit üblen Absichten auf sie losgehen und konnte nur mühsam von seinem Schaffner zu-rückgehalten werden. Das eigentlich Alltägliche wurde ohne Erklärung monströs, es wurde es allerdings anders als bei Kafka. Am Ende, dem Omnibus entronnen, stellte der Kauf von Blumen für die beiden Außenseiter eine Beruhigung dar, sie gingen aber zu keinem Friedhof, das Halten der Blumen stellte bloß die Mimikry an das dar, was sie zuvor so arg bedroht hatte.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Bestiario (1951)).

Lejana

An diese Erzählung könnte Lynch bei seinen Filmen ab Lost Highway gedacht haben. Es war eine psychologische Version von Distante espejo, eine verwirrende Tagebucherzählung: eine Frau in Buenos Aires war wie mittels einer kommunizierenden Röhre mit einer anderen Frau in Budapest verbunden. Sie trafen sich auf einer Brücke in Budapest, und was früher nur Zeichen gewesen waren, erfüllte sich, wenn man nicht von einer Schizophrenie ausging. Ich habe die Erzählung mit Wissen um das Ende nochmals gelesen und kann die Machart nur goutieren.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Bestiario (1951)).

Fenster #163

Samstag, 19. August 2017

Fenster #162

Fenster #161

Fenster #160

Fenster #159 (Der tote Christus im Grabe oder Senhor vós sois o caminho a verdade e a vida)

Casa tomada

Ein Geschwisterpaar bewohnte in Geschwisterehe (wer dachte da nicht an Ulrich und Agathe?!) ein Haus in Buenos Aires. Sie hatten beide auf ihre Reproduktion verzichtet und schlossen, wie Hanno Buddenbrook, die Genealogie ab. Nach und nach wurde ihr Haus besetzt, bis das Paar es, alles zurücklassend, verließ und den Schlüssel in den Gulli warf. Es gab keine Erklärung für diese Besetzung und die damit einhergehende Vertreibung, die von den Bewohnern stoisch akzeptiert wurde. Borges hatte Cortázar in seine Biblioteca personal aufgenommen und berichtete, wie er die Publikation von Casa tomada in Sur protegiert hatte, und daß dies Cortázars erste Publikation gewesen sei. Außerdem hatte er gemeint, was hier betrieben wird – den Plot von Cortázars Erzählungen zusammenzufassen –, ginge nicht. Casa tomada hatte ich, was ich zunächst vergessen, bereits einmal in Borgesʼ La biblioteca de Babel gelesen und am Mittwoch, dem 13. August 2008, dazu geschrieben: »Man könne leben, ohne zu denken, sagte der Protagonist von Julio Cortázars Casa tomada, was durchaus sein kann, aber man kann nicht leben, ohne bei einem keuschen Leben ernsthaft Schaden zu nehmen. Ein Geschwisterpaar, das nicht arbeiten mußte, lebte in einem großen Haus und beschäftigte sich damit, das Haus zu reinigen, sich zu bekochen sowie zu lesen (er) und zu stricken (sie). Dann wurde das Haus nach und nach besetzt, man erfuhr nicht von was oder wem, die beiden zogen sich zurück, bis sie vollständig aus dem Haus vertrieben waren. Diese Geschichte war die beste bisher in diesem Band, der Reiz, einen unlebbaren Zustand als Alltag (was wir mit einer abgegriffenen Konvention die Welt des Wirklichen nennen würden, wie Borges im Vorwort geschrieben) zu schildern, Figuren, die das Unglaublichste einfach so hinnehmen …«

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Bestiario (1951)).

Gestein









Freitag, 18. August 2017

Estación de la mano

Dieser Text ist in meiner Ausgabe nicht enthalten, vielleicht weil es sich um keine Erzählung handelt.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, La otra orilla (1945), Prolegomenos a la Astronomía).

Breve curso de Oceanografía

In antikem Stil wurde mit teilweise schiefen Metaphern beschrieben, wie das Wasser vom Mond auf die Erde kam. Wie alle Geschichten aus diesem Band war das eher eine Fingerübung. Das eigentliche Thema Cortázars ist, was zwischen Frau und Mann und, der Zeit und ihrer Philosophie entsprechend, was in einem selber passierte.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, La otra orilla (1945), Prolegomenos a la Astronomía).

Mittwoch, 16. August 2017

Los limpiadores de estrellas

Dies war eine etwas ärgerliche Erzählung, eine Satire über Sterne, die gesäubert wurden, bis sie den Himmel weiß und unanschaubar machten.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, La otra orilla (1945), Prolegomenos a la Astronomía).

Fenster #158

Dienstag, 15. August 2017

Fenster #157 (Peniche)



Fenster #156

De la simetría interplanetaria

Eine Erzählung in der Manier von Swift: ein Raumreisender traf auf eine intelligente spinnenartige Spezies und lebte unter ihr im Modus der teilnehmenden Beobachtung. Angesichts eines charismatischen Predigers fragte er sich, ob dies vielleicht auch Gottes Sohn war. Aber es war nicht (ein) Jesus (Christus) gewesen, sondern ein Philosoph, denn er wurde vergiftet und nicht gekreuzigt.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, La otra orilla (1945), Prolegomenos a la Astronomía).

Sonntag, 13. August 2017

Fenster #155

Mudanza · Distante espejo · Carta a una señorita en París · Que tal, López

In diesem Spannungsfeld [zwischen Zen und Zwangsneurose] hatte Cortázar das Thema ›Gewohnheit‹ in seinen Erzählungen thematisiert. Zum ersten Mal, wenn wir uns recht entsinnen, in Mudanza, wo ein Gewohnheitsmensch nach der Arbeit nach Hause kam und alles leicht verändert vorfand. Die Veränderungen nahmen dann zu und am nächsten Morgen war alles anders (man erinnere sich an Lynchs Lost Highway (1997): der Protagonist in der Todeszelle). Bei Cortázar schickte sich der Mann drein. Das Leben im Modus der Gewohnheit behauptete sich gegenüber dem vollkommen Neuen. In Distante espejo dann – einem Pastiche nach der Reitergeschichte von Hofmannsthal, dessen Gedichte der Protagonist las, und nach Borges – wurde ein Mann von einem inneren Drang gezwungen, entgegen seinen Gewohnheiten auszugehen. Dabei begegnete er sich selber, starb aber nicht wie der Husar des Vorbildes. Hier war die Gewohnheit die Folie für das unerhörte Ereignis, sie wurde als Schutz vor der Welt geschildert. Der Mann hatte, nebenbei bemerkt, einen Lebens- und Lesemodus, der frappant unserem und dem von Clemens Limbularius (siehe vom Verf. … du rissest dich denn ein., Berlin 2010, und Telos oder Beiträge zu einer Mythologie des Clemens Limbularius, Berlin 2013) und, wie wir noch sehen werden, dem von Hans Köberlin glich. Und in seiner Krise trank er Lindenblütentee, den literarischsten unter allen Kräutertees. Was passieren konnte, wenn zwei konträre Gewohnheiten sich durchdrangen, erzählte Cortázar in Carta a una señorita en París. Ein Mann, der ohne es zu wollen alle paar Wochen oral ein Kaninchen gebiert, bewohnte die Wohnung nebst Dienstmädchen einer Bekannten, die für drei Monate in Paris weilte. Die Kaninchen, die die Ordnung der Gastgeberin zerstörten, wurden zu einem Problem, das ihn schließlich in den Selbstmord trieb. Mit solch einem Gebrechen geschlagen, konnte man in der Gesellschaft, wie ein Diabetiker oder ein Dialysepatient, nur im Gerüst seiner Gewohnheiten überleben. Eindeutig gegen die Gewohnheit sprach er sich in Que tal, López aus. Dies erschien Hans Köberlin fast wie ein Schlüsseltext zu dem Grundthema Cortázars zu sein, hier hatte er es, sein Grundthema, Hamlet unterstellt: »busca la solución auténtica y no las puertas de la casa o los caminos ya hechos.« (Historias de cronopios y de famas; in: Julio Cortázar, Die Erzählungen, Frankfurt am Main 1998, Bd. 3, S. 43). Die authentische Lösung war aber nach Hans Köberlin die, bei der der Autor die Hand biß, die ihn fütterte, womit nicht der Mäzen gemeint war, sondern der Hintergrund der Existenz des Autors, was Cortázar wiederum in seiner Charlie-Parker-Erzählung ausführte. Man erlebte hier den Narzißmus des marginal man, der sich dadurch speiste, der marginal man zu sein. Warum sollte eine Geste der Liebe falsch sein, nur weil sie seit Menschengedenken ausgeführt wurde? Es war nicht gut, daß der Schuh drückte, nicht alle Dinge sollten zuhanden sein, manchmal war der Takt wichtiger denn die Wahrhaftigkeit. Cortázar war hier eher Musil denn Kafka oder Borges.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, La otra orilla (1945), Historias de Gabriel Medrano; Bestiario (1951); Historias de cronopios y de famas (1962), Material plástico).

Donnerstag, 10. August 2017

Bruja

Eine in sich zurückgezogene Frau hatte als Kind ihre Fähigkeit, Dinge entstehen zu lassen, entdeckt. Sie lebte in einem Dorf, das sie haßte und dessen Bewohner sie haßten, das zu verlassen ihr
aber nicht gelang. Also schuf sie sich ein Landgut, in dem sie mit ihrem selber erschaffenen Gatten ihr zurückgezogenes Leben leben konnte und schließlich beendete. Ihre wenigen Freunde wurden anschließend während der Totenwache Zeuge, wie sich die Schöpfung der Verstorbenen vor ihren Augen auflöste. – Die Erzählung war ein Pastiche im Stil von Poe oder Henry James oder Borges, sehr kunstvoll erzählt.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, La otra orilla (1945), Historias de Gabriel Medrano).

»It is the evening of the day …« (einmal wieder dort; mit ästhetischen Erörterungen)

Montag, 7. August 2017

Retorno de la noche

Ein Ich-Erzähler erwachte in der Nacht und sah seinen soeben verstorbenen Körper im Bett liegen. Er konnte in seinem (nichtspiegelnden) Zustand Dinge der physischen Welt verändern und versuchte, seine geliebte Großmutter auf den Anblick, der sich ihr am Morgen bieten würde, vorzubereiten. Dann floh er aus dem Haus und legte sich eine Theorie zurecht, die besagte, daß er sich in Raum und Zeit aufgespalten hatte. Er machte anschließend den Versuch einer Wiedervereinigung und erwachte. Er dachte an einen Alptraum, aber die Dinge, die er während seines Todes in der physischen Welt verändert hatte, waren dies noch immer.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, La otra orilla (1945), Historias de Gabriel Medrano).

Sonntag, 6. August 2017

Fenster #152

Fenster #151

Puzzle

Vor seiner Geschichte [The Imp oft the Perverse] gab Poes Erzähler eine allgemeine essayistische Abhandlung über diesen Impuls zur Fehlleistung, in der er in vielen Details diesbezügliche Gedanken Sigmund Freuds vorwegnahm, vor allem natürlich den, daß wir nicht Herr im eigenen Hause seien. Diese Abhandlung endete mit dem berühmten Bild eines Mannes am Abgrund: »And because our reason violently deters us from the brink, therefore do we the most impetuously approach it. There is no passion in nature so demoniacally impatient, as that of him who, shuddering upon the edge of a precipice, thus meditates a plunge. To indulge, for a moment, in any attempt at thought, is to be inevitably lost; for reflection but urges us to forbear, and therefore it is, I say, that we cannot.« (Edgar Allan Poe, The Complete Tales and Poems, with an introduction by Hervey Allen, New York 1938, S. 282). – Ja-ja: abyssus abyssum invocate … (Ps 42.8). Poe hatte dieses Thema, das ihm wohl eines der essentiellen war, auch in The Tell-Tale Heart und The Black Cat variiert und Julio Cortázar in raffinierter Manier in seiner Erzählung Puzzle: ein Mann tötete darin seinen Schwager und versteckte die Leiche in einem Wandschrank, der wiederum in der Manier von Poes The purloined letter getarnt wurde. Seine Schwester präsentierte ihm anschließend etwas in einer Suppenterrine – man mußte nicht sagen, was, siehe Finchers Se7en (1995) – und er saß schließlich wie Poes Erzählerfigur in einer Zelle. Cortázars Erzähler erzählte – unterbrochen von den Dialogen des Täters mit der Schwester – dem Täter, was er getan hatte, ein sehr wirkungsvoller Kunstgriff, den auch Lars von Trier in Europa (1991) angewendet hatte.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, La otra orilla (1945), Plagios y Traducciones).