Dienstag, 16. August 2016

Samstag, der 16. August 2014


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Die Frau und Hans Köberlin gingen dann noch durch das nächtliche Dorf, gingen durch nur von vereinzelten Straßenlaternen beleuchtete menschenleere Gassen und vorbei an einem von alten Mauern eingefaßten Rinnsal, und sie kamen sich wieder einmal vor wie in einem Film von Chabrol.* Als sie sich dem Marktplatz mit dem obligatorischen Kriegerdenkmal näherten, hörten sie aus einer Seitenstraße Lärm. Es war eine Bar, auf deren Terrasse aber niemand mehr saß und in deren Innerem nur ein letzter Gast mit dem Wirt trank und sich durch die laute Musik schreiend unterhielt. Ja, man habe noch offen und ja, sie könnten noch etwas zu trinken bekommen. Die Frau und Hans Köberlin setzten sich an einen Tisch auf der Terrasse und kamen beide zu dem Schluß, daß es sich wohl um eine Karaokebar handeln müsse, denn beim genaueren Zuhören erkannten sie unter den Liedern internationale Schlager, aber nur die Musik ohne die Gesangsstimme; und einer der beiden, der Wirt oder sein Gast, begann nach einer Weile lauthals das Lied ohne Worte auf brachiale Art und Weise zu komplettieren. In dem Haus gegenüber wurde Licht angemacht und eine alte Frau erschien vor der Haustüre. Sie schaute mißbilligend, unternahm aber nichts. Die Frau und Hans Köberlin rechneten mit dem baldigen Eintreffen der Gendarmerie, aber nichts passierte, auch nicht, als die Alte später nochmals in Begleitung ihres Gatten erschien und auf der Straße auf ihn einredete. Die Frau und Hans Köberlin tranken ihren Wein und wollten dann bezahlen und zurück ins Hotel, der Wirt brachte aber mit dem Wechselgeld noch zwei Gläser, die gingen aufs Haus. Hans Köberlin war das recht, er genoß diese Unwirklichkeit, denn nicht nur alle Lust, auch manche Unlust – hier: die zumindest teilweise Unlust zurückzukehren – verlangte nach augenblicklicher Ewigkeit.


* Siehe den Mittwoch, den 2. Oktober 2013 und den Samstag, den 30. November 2013.

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel XXIII [Transfer retour], 13. bis 21. August 2014).