Donnerstag, 5. November 2015

Mein Erstaunen über Edmond de Goncourts Erstaunen über Flauberts Erstaunen über Edmond de Goncourts Erstaunen

Je tombe sur Flaubert, au moment où il part pour Rouen: il a sous le bras, fermé à triple serrure, un portefeuille de ministre, dans lequel est enfermée sa TENTATION DE SAINT ANTOINE. En fiacre, il me parle de son livre; de toutes les épreuves qu'il fait subir au solitaire de la Thébaïde, et dont il sort victorieux. Puis, au moment de la séparation, à la rue d'Amsterdam, il me confie que la défaite finale du saint est due à la cellule, la cellule scientifique. Le curieux, c'est qu'il semble s'étonner de mon étonnement.

(aus dem Journal der Gebrüder de Goncourt, Eintrag vom 18. Oktober 1871).

Dienstag, der 5. November 2013


[35 / 289]
An diesem Morgen, dem Morgen des Dienstags, des 5. November 2013,* war das Meer sogar hinter der Mole derart stürmisch und die Wellen waren derart heftig, daß kein Reinkommen in das Wasser möglich war. Die sonstige Stille des Meeres an diesem Strand hatte also wohl weniger an der Hafenmauer als an der Windrichtung gelegen. Also lief Hans Köberlin einfach weiter, weiter über den Endpunkt seiner Route und zurück und schwamm diesmal auf seiner Seite des Peñón de Ifach, der wohl der große Wind- und Wetterteiler hier war, schwamm aber nicht gerade an der Stelle, wo er neulich beobachtet, wie die Guardia Civil die Leiche aus dem Meer geborgen hatte. Der Mann war übrigens, wie er aus einem der kostenlosen Anzeigenblättchen in seinem, Hans Köberlins, Idiom erfahren, nicht ertrunken, sondern mit einem Messerstich in den Rücken getötet und dann dem Meer überantwortet worden, das ihn aber anscheinend nicht hatte behalten wollen.
Nach dem Frühstück notierte sich Hans Köberlin etwas zu dem, auf das er in der Nacht gekommen war …: »Gestern in A Serious Man (2009) wurde immer von ›HaSchem‹ gesprochen, weil der Name Gottes nicht genannt werden durfte. So ähnlich war es auch bei den Hunden, die nach einer stillschweigenden Übereinkunft über die letzten Fragen – zum Beispiel: ›Woher nimmt die Erde unsere Nahrung?‹ – schwiegen, und der Protago-nist exponierte sich dadurch, daß er dieses Gebot brach und fragte. – Man mußte wohl Fragen fragen, auf die es keine Antworten geben konnte, damit mit man überhaupt zu den beantwortbaren Fragen kam. Also keine Physik ohne Metaphysik, weil man a priori nicht wissen konnte, ob das noch die Metaphysik oder bereits die Physik betraf?«


* Zwei Kalenderblätter: Sam Shepard (geboren heute im Jahre 1943) in Wenders’ nur mäßigem Don’t Come Knocking und Madeleine Robinson (geboren heute im Jahre 1916) zeigte in Jean Delannoys Le garçon sauvage (1951) ihre schönen Beine.
Wir wollen diesmal gleichfalls hier unten, wo wir schon einmal hier unten sind, Hans Köberlins Traumerinnerung, so wie er sie in seinem Arbeitsjournal festgehalten, wiedergeben: »Im Traum fuhr ich ein Auto (es war ein Kleinwagen) eine sehr steile und enge Straße hinab (wie es sie auf der Insel des zweiten Gesichts gab), die sich aber im Innern eines Hochhauses befand, das die geisteswissenschaftlichen Fakultäten einer Universität beherbergte. Zuvor hatte ich dort an einem Seminar über Raymond Queneau teilgenommen, in dem eine unscheinbare Frau ein ziemlich lausiges Referat gehalten hatte. Eine halbvolle Flasche Rotwein fiel irgendwodurch nach unten. Der Busenfreund war dabei, aber als er sah, wie ich mit dem Auto in die erste Kurve ging und dabei etwas vom Gebäude abriß, zog er es vor, die Treppe zu benutzen. Ich schaffte es irgendwie, mit dem Auto heil unten anzukommen (mit vielzuviel Gas und kreischenden Bremsen) und wir trafen uns dort wieder und ich fand auch die halbvolle Flasche Rotwein unbeschädigt wieder, zwischen den Büchern einer Seminarbibliothek liegend. Dann wollte ich zu einer Beerdigung, wußte aber den Namen des Verstorbenen nicht und hatte Angst, zu spät zu kommen. Ich probierte mehrere Namen – unter anderem auch Patrick Dignam – in einer speziell dafür eingerichteten Suchmaschine im weltweiten Netz aus, hatte aber keinen Erfolg. Neben mir saß jemand, den ich näher kannte (?), an seinem Notebook, er hatte einen Namen eingegeben, den ich auch ausprobieren wollte, er meinte aber bloß, das könne ich mir schenken, den Namen habe er frei erfunden.«

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel VI [Phase II – oder: post Telos], 3. bis 14. November 2013).