Donnerstag, 29. Oktober 2015

Dienstag, der 29. Oktober 2013


[28 / 296]
Winona Ryder war am 29. Oktober im Jahre 1971 – da war Hans Köberlin bereits elfeinhalb Jahre alt und bereits ziemlich frühreif – geboren worden, und das Kalenderblatt zeigte einen Still mit ihr verschwommen auf dem Rücksitz des Taxis von Gena Rowland aus Jim Jarmuschs Episodenfilm Night on Earth (1991). Obwohl Hans Köberlin stets nach der Weisheit des seligen P. …
»Bei gleicher Qualifikation –: Frauen zuerst!«
… zu agieren trachtete, hätte er am 29. Oktober 2013 einen Mann auf dem Kalenderblatt sehen wollen, beziehungsweise er hätte einen bestimmten Mann mit Anna Karina sehen wollen (denn damit, mit Anna Karina bei dem Mann, wäre dann auch P. zufrieden gewesen), denn am 29. Oktober 1917 war Eddie Constantine – auch bekannt unter dem Namen Lemmy Caution – geboren worden. Und das Still, das Hans Köberlin genommen, hätte er Godards Alphaville (1965) entnommen, und zwar aus jener Szene, in der Eddie Constantine Anna Karina in dem Hotelzimmer ein zerlesenes und mit Unterstreichungen und Marginalien versehenes Exemplar von Paul Eluards Capitale de la douleur zu lesen gegeben hätte.*
»Mourir de ne pas mourir …«


* In Kindlers Literatur Lexikon, das wir leider nicht mehr zu Hand haben, hatte Friedhelm Kemp geschrieben: »Fast alle Gedichte Éluards sind Liebeslyrik; als solche sind sie zugleich, vom Ansatz her und in ihrer Entfaltung, Gesellschaftskritik, politische Dichtung. Ein Thema der deutschen Romantik, wie es bei NOVALIS, bei HÖLDERLIN aufklingt, wird wiederaufgenommen und neu akzentuiert: Die dichterisch Liebenden verwandeln einander in menschlichere Menschen; sie liefern sich bessere Gründe, das Leben lebenswert zu finden; sie stiften eine neue, hellere, reinere Welt. Voraussetzung ist für Èluard, daß die Liebe alles sei: nicht die transzendierende der Sehnsucht, nicht die ›galante‹ der Eroberung, sondern die der schrankenlosen Gewährung und Gabe; diesseitig und ganz sinnlich und hieraus eine freudige Vernunft gewinnend. Beatrice (wie Dantes Muse hieß auch die erste Séductrice, die Lemmy Caution auf sein Zimmer brachte), Laura, Sophie, Diotima sind keine Vorbilder mehr; die Geliebte ist diese sterbliche Gegenwart, die ›öffentliche Rose‹, nackt, offen, und ewig nur in der Entzückung des Augenblicks. So schenkt sie Freiheit; auch die schmerzliche, sie um einer anderen willen zu verlassen.«

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel V [Phase I – oder: Altlasten], 13. Oktober bis 2. November 2013).